Politik
Höckes Sekt-Metapher - verklausuliertes Bekenntnis zu Terror und Judenhass?
Sand-Attentat & Hep-Hep-Unruhen
Sekt... um 5 vor 12... - Symbolbild (Quelle: Pixel2013 - Pixabay)
Zum Einstieg ein Link zu einem Bericht, in dem dieses Detail mit der gebotenen Genauigkeit wiedergegeben wird:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/extremistencheck-in-brandenburger-fraktion-verfassungsschutz-besorgt-ueber-identitaere-als-afd-mitarbeiter/24589754.html
Dort wird der vom Verfasser gemeinte Vorgang einer verklausulierten Kommunikation im Wege der ritualisierten Inszenierung symbolträchtiger Gesten wie folgt genau beschrieben:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/extremistencheck-in-brandenburger-fraktion-verfassungsschutz-besorgt-ueber-identitaere-als-afd-mitarbeiter/24589754.html
Dort wird der vom Verfasser gemeinte Vorgang einer verklausulierten Kommunikation im Wege der ritualisierten Inszenierung symbolträchtiger Gesten wie folgt genau beschrieben:
“Zugleich verhöhnte Höcke den Verfassungsschutz. Vor Hunderten Anhängern übergab er in Cottbus eine von ihm signierte Flasche Sekt an einen Mann aus der Menge zur Weitergabe an einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Dieser solle dann die Flasche Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter bringen. "Bei der Dienstbesprechung heute Abend könnt ihr dann die Flasche aufmachen und auf das Wohl der AfD trinken", sagte Höcke zu der johlenden Menge.“
“Es war eine Sektflasche der Marke “Fürst von Metternich“. Höcke verglich die mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz mit dem Vorgehen von Fürst von Metternich ab 1819 gegen die liberalen Freiheitsbewegungen mit der sogenannten "Demagogenverfolgung".“
Da es sich bei diesem Protagonisten um einen studierten Historiker handelt, sollte man die geschichtlichen Hintergründe einmal näher beleuchten, welche sich hinter dieser Bildersprache im Einzelnen verbergen: Denn man wird in Ansehung des Bildungskontexts des Senders dieser in Bildern verpackten Botschaft unterstellen müssen, dass dieser damit ganz bewusst und gezielt spezifische geschichtliche Parallelen in den Kontext der Gegenwart transportieren wollte.
Da es sich bei diesem Protagonisten um einen studierten Historiker handelt, sollte man die geschichtlichen Hintergründe einmal näher beleuchten, welche sich hinter dieser Bildersprache im Einzelnen verbergen: Denn man wird in Ansehung des Bildungskontexts des Senders dieser in Bildern verpackten Botschaft unterstellen müssen, dass dieser damit ganz bewusst und gezielt spezifische geschichtliche Parallelen in den Kontext der Gegenwart transportieren wollte.
Hierzu listet der Verfasser im Folgenden logisch aufeinander abgestimmt Fundstellen zu historischen Hintergründen der in soweit von dem AfD-Hardliner Höcke gestern inszenierten Metapher auf - zunächst einmal ohne das unmittelbar zu kommentieren. Die Leserinnen und Leser sollen sich insoweit zunächst einmal ein eigenes Bild ohne Einflussnahmeaktivitäten durch den Verfasser machen:
Zunächst einmal steht die von AfD-Höcke kommunizierte Metapher für ein politisches Attentat eines Rechtsextremisten auf einen antinationalistischen Aktivisten und russischen Diplomaten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karlsbader_Beschlüsse
Zunächst einmal steht die von AfD-Höcke kommunizierte Metapher für ein politisches Attentat eines Rechtsextremisten auf einen antinationalistischen Aktivisten und russischen Diplomaten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karlsbader_Beschlüsse
“Die Karlsbader Beschlüsse waren das Resultat der Ministerialkonferenzen vom 6. bis 31. August 1819 in Karlsbad, an welchen die einflussreichsten Staaten im Deutschen Bund teilnahmen. (“¦) Die Konferenzen berieten über Maßnahmen zur Überwachung und Bekämpfung liberaler und nationaler Tendenzen im Deutschland der Zeit nach Napoleon. Karlsbad lag in Böhmen, das zum Kaisertum Österreich gehörte. (...) Die Beschlüsse entstanden unter der Ägide des österreichischen Außenministers und späteren Staatskanzlers Klemens Wenzel Lothar von Metternich. Grundlage der Beschlüsse war die am 1. August 1819 in der nordböhmischen Stadt Teplitz vereinbarte Teplitzer Punktation zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Preußen.“
"Anlass für die Karlsbader Beschlüsse war die damals an verschiedenen deutschen Höfen vorherrschende Revolutionsangst. Auslöser und Rechtfertigung für die Karlsbader Beschlüsse war die Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue am 23. März 1819 durch Karl Ludwig Sand, einen Theologiestudenten und Erlanger/Jenaer Burschenschafter. Unmittelbarer Auslöser waren jedoch die Hep-Hep-Unruhen vom 2. August 1819, bei denen es erstmals seit dem Mittelalter zu überregionalen antijudaistischen Gewaltausbrüchen gekommen war.“
https://de.wikipedia.org/wiki/August_von_Kotzebue
https://de.wikipedia.org/wiki/August_von_Kotzebue
“1816 kam er zur außenpolitischen Abteilung in St. Petersburg und ging 1817 mit einem Gehalt von 15.000 Rubeln als Generalkonsul im russischen Auftrag nach Deutschland. (“¦) Seit 1815 war er auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg. (“¦) In seinem Literarischen Wochenblatt, das er in Weimar - dank der dort existierenden Pressefreiheit - veröffentlichen konnte, griff er die deutschen Universitäten und vornehmlich die Burschenschaften und Turnerbünde als Brutstätten der Revolution sowie den politischen Liberalismus an (dessen Ziele Volksvertretung und Pressefreiheit waren), verspottete den von den Studenten verehrten Turnvater Jahn und verhöhnte die Ideale der deutschen Nationalbewegung. (...)"
“Auf dem Wartburgfest 1817 wurde im Zuge der dort zelebrierten Bücherverbrennung seine Geschichte des deutschen Reichs ins Feuer geworfen, worauf er nach Mannheim umzog.“
“Der Jenaer Burschenschafter und Theologiestudent Karl Ludwig Sand folgte ihm nach Mannheim und erstach ihn am 23. März 1819 vor den Augen von dessen vierjährigem Sohn mit den Worten: “Hier, du Verräter des Vaterlandes!“ Ermordet wurde Kotzebue in seinem Wohnhaus in A 2, 5, an dem heute eine Gedenktafel angebracht ist. Sein Sohn August Julius wurde nach der Ermordung seines Vaters zum Austritt aus der Urburschenschaft gezwungen, in der Sand Mitglied war."
“Der Jenaer Burschenschafter und Theologiestudent Karl Ludwig Sand folgte ihm nach Mannheim und erstach ihn am 23. März 1819 vor den Augen von dessen vierjährigem Sohn mit den Worten: “Hier, du Verräter des Vaterlandes!“ Ermordet wurde Kotzebue in seinem Wohnhaus in A 2, 5, an dem heute eine Gedenktafel angebracht ist. Sein Sohn August Julius wurde nach der Ermordung seines Vaters zum Austritt aus der Urburschenschaft gezwungen, in der Sand Mitglied war."
“Unter anderem mit diesem Mord wurden die im September 1819 vom Bundestag in Frankfurt in Gesetzesrang erhobenen Karlsbader Beschlüsse begründet."
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ludwig_Sand
Die Ermordung Kotzebues erwog Sand schon am 5. Mai 1818 in seinem Tagebuch. Er nannte ihn einen “Landesverräther“ und einen “Verführer der Jugend“, begriff ihn als Feind der Burschenschaft und ihres Ringens um Deutschlands Einigung und Freiheit. (“¦) Am Vormittag des 23. März 1819 suchte Sand unter Verwendung eines kurländischen Aliasnamens (“Heinrichs aus Mitau“) August von Kotzebue in dessen Mannheimer Wohnung auf. (..)“
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ludwig_Sand
Die Ermordung Kotzebues erwog Sand schon am 5. Mai 1818 in seinem Tagebuch. Er nannte ihn einen “Landesverräther“ und einen “Verführer der Jugend“, begriff ihn als Feind der Burschenschaft und ihres Ringens um Deutschlands Einigung und Freiheit. (“¦) Am Vormittag des 23. März 1819 suchte Sand unter Verwendung eines kurländischen Aliasnamens (“Heinrichs aus Mitau“) August von Kotzebue in dessen Mannheimer Wohnung auf. (..)“
“Nachdem nur wenige Worte gewechselt worden waren, zog Sand den verborgenen Dolch und stieß ihn Kotzebue mit den Worten “Hier, du Verräther des Vaterlandes!“ mehrfach in die Brust. (“¦) Seine Tat bereute er nicht. Kotzebue galt ihm als Verräter an der Idee des Sittlichen, Richtigen und Wahren, der den Tod verdient habe. Folglich erschien ihm selbst der politische Mord als eine sittliche und gerechtfertigte Tat. (“¦) Sand wurde nach seiner Hinrichtung auf dem Lutherischen Friedhof in Mannheim beigesetzt. Als dieser um 1865 aufgelassen werden sollte, überführte man seine Gebeine in ein von der Bürgerschaft gestiftetes Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof."
“Zusammen mit den Ausschreitungen und dem Streikversuch Göttinger Studenten im Vorjahr löste das Entsetzen über Sands Tat im konservativen Bürgertum und Adel eine breite Debatte über den Verfall von Disziplin und Moral an den deutschen Universitäten aus. Diese Stimmungen nutzte Metternich, um innerhalb der Bundesversammlung die Karlsbader Beschlüsse durchzusetzen, mit denen er unter anderem, auch im Hinblick auf die Ergebnisse des Aachener Kongresses 1818, die Unterdrückung der liberalen und nationalen Bewegung an den Universitäten bezweckte.“
Sodann steht die von AfD-Höcke kommunizierte Metapher für das Erstarken eines aggressiven Antisemitismus als Massenphönomen in Deutschland, welches wohl den Boden für den totalen Exzess im 20. Jahrhundert bereitet haben dürfte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hep-Hep-Unruhen
“Die Hep-Hep-Unruhen oder Hepp-Hepp-Krawalle von 1819 waren eine in der Stadt Würzburg beginnende Welle gewalttätiger Ausschreitungen gegen Juden in vielen Städten des Deutschen Bundes, darunter Prag, Grazund Wien, sowie in Amsterdam, Kopenhagen, Helsinki, Krakau und kleineren Orten in Russisch-Polen. (...)"
https://de.wikipedia.org/wiki/Hep-Hep-Unruhen
“Die Hep-Hep-Unruhen oder Hepp-Hepp-Krawalle von 1819 waren eine in der Stadt Würzburg beginnende Welle gewalttätiger Ausschreitungen gegen Juden in vielen Städten des Deutschen Bundes, darunter Prag, Grazund Wien, sowie in Amsterdam, Kopenhagen, Helsinki, Krakau und kleineren Orten in Russisch-Polen. (...)"
“Sie gingen von Handwerkern, Händlern und Studenten aus, die sich teils spontan, teils verabredet zu antijüdischen Demonstrationen versammelten, jüdische Bürger beschimpften, bedrohten, misshandelten, ihre Synagogen, Geschäfte und Wohnungen angriffen und teilweise zerstörten.“
“Die Angriffe verbreiteten sich überregional und dauerten Monate an. Sie richteten sich gegen die jüdische Emanzipation, die seit der Französischen Revolution 1789 auch einige deutsche Gebiete erreicht hatte. Damit waren Juden zu gleichberechtigten Konkurrenten von Christen geworden, die vielfach ehemals privilegierte Zunft-Mitglieder waren.“
“Die Angriffe verbreiteten sich überregional und dauerten Monate an. Sie richteten sich gegen die jüdische Emanzipation, die seit der Französischen Revolution 1789 auch einige deutsche Gebiete erreicht hatte. Damit waren Juden zu gleichberechtigten Konkurrenten von Christen geworden, die vielfach ehemals privilegierte Zunft-Mitglieder waren.“
“Die Unruhen gelten daher als Ergebnis und Ausläufer des christlichen Antijudaismus, aber auch als Beginn des Antisemitismus im 19. Jahrhundert, noch ohne rassistische Motive. Sie zeigten die Anfälligkeit von Bevölkerungsteilen für neue Formen des Judenhasses.“
Das alles sollte für sich sprechen“¦ Bermerkenswert ist insoweit, dass diese bildliche Geste in einem von Burschenschaftlern geprägten Millieu getätigt wurde: Und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem die Ermordung eines Regierungschefs durch einen Rechtsextremisten ebenso die Schlagzeilen füllt - wie die begründete Furch vor einem Wideraufleben antisemitischer Tendenzen. Auch ein Vergleich der heutgen geografischen Orte mit den einschlägigen historischen ist vielsagend. Zeit zu handeln!
Das alles sollte für sich sprechen“¦ Bermerkenswert ist insoweit, dass diese bildliche Geste in einem von Burschenschaftlern geprägten Millieu getätigt wurde: Und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem die Ermordung eines Regierungschefs durch einen Rechtsextremisten ebenso die Schlagzeilen füllt - wie die begründete Furch vor einem Wideraufleben antisemitischer Tendenzen. Auch ein Vergleich der heutgen geografischen Orte mit den einschlägigen historischen ist vielsagend. Zeit zu handeln!
Afd Flügel Björn Höcke Cottbus Wahlkampfauftakt Verfassungsschutz Sekt Metapher Attentat Mord Terror Antisemitismus Metternich
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.